Deutscher Schachgipfel

Bis zum 22.08. fand in Magdeburg der diesjährige deutsche Schach-Meisterschaftsgipfel statt. Neben der Deutschen Einzelmeisterschaft (DEM) fanden die Deutsche Fraueneinzelmeisterschaft (DFEM), die deutsche Senioreneinzelmeisterschaft (DSenEM) und die Deutsche Pokalmeisterschaft (DPM) als Qualifikationsmöglichkeit für die DEM im nächsten Jahr statt. Bei der DSenEM spielten Werner Hellwege und Dr. Jürgen Fritsch vom HSK mit, ich war bei der DEM am Start. Die Highlights des Gipfels waren aus schachlicher Sicht sicherlich das German Masters und das German Masters der Frauen, bei denen sich hochklassige SpitzenspielerInnen untereinander messen konnten. (Turnierwebsite: https://www.schachgipfel.de/)

Coronabedingt wurde der eigentliche Termin im Frühjahr auf jetzt verschoben und auch sonst kam es mit Hygienekonzepten zu diversen Neuerungen. So mussten etwa bei jedem Betreten des Turniersaals die Hände desinfiziert werden, außerhalb des Brettes musste eine Maske getragen werden und es gab keinen Analysebereich. Die Bretter selbst hatten im geräumigen Raum reichlich Abstand und auf den Handschlag wurde verzichtet. Das meiner Meinung nach Bedauernswerteste war die Tatsache, dass natürlich keine Zuschauer erlaubt waren. Aber man kann nichts machen, die Hygienebedingungen wurden gut eingehalten und die Partien konnten immerhin durch die Livebretter im Internet verfolgt werden. https://live.chessbase.com/replay/91st-ger-ch-2020/0?anno=False

Als Landesmeister des letzten Jahres kam mir die Ehre zu, Niedersachsen im erwartungsgemäß starken Feld zu vertreten. Das Turnier begann nach der DEM im Blitzschach, bei der Ilja Schneider einen extrem starken vierten Platz belegte und ich auf dem viertletzten Platz hinter allen Hoffnungen zurückblieb, aber immerhin etwas Praxis am Brett nachholen und beweisen konnte, dass ich zum Teil auch mit GM und IM gut mithalten konnte.

In der ersten Runde der DEM mit langer Zeitkontrolle gelang mir ein Remis mit Weiß gegen den starken GM Léon Mons (Elo: 2540). Dieser hatte einige Chancen in einem altbekannten (die erste Neuerung kam im 23. Zug) aber uns praktisch eher neuen Endspiel aus der Nimzoindischen Eröffnung heraus ausgelassen. Es folge eine unschöne Schwarzniederlage gegen den erstgesetzten GM Falko Bindrich (2605) aus der Eröffnung heraus.
Mit 0,5/2 war aber immer noch kein leichterer Gegner in Sicht, stattdessen durfte ich noch einmal mit Weiß gegen einen GM ran. Gegen Rene Stern (2526) konnte ich bislang immerhin im Blitzen einen Score von 2-1-0 vorweisen, durch eine quasi fehlerfreie Partie von beiden Seiten kam jetzt ein Remis dazu. An diesem Tag gab es eine Doppelrunde und da nur 30 Minuten zwischen dem Ende der dritten und dem Start der vierten Runde lagen, wurde die Vorbereitungszeit deutlich verkürzt. Hinzu kam, dass mein Laptop während dieser Zeit zweimal abstürzte und sich dann entschied, dass er schon lange keine Updates installiert hatte. Diese Freude teilend ging ich mäßig tiefenentspannt in die Runde, eine Schwarzpartie gegen FM Thilo Ehmann (2329). In einer Maroczy-Nebenvariante wurde schnell viel abgetauscht und mir gelang mit etwas Stellungsglück ein Remis im Turmendspiel.
In der folgenden Runde stand gegen Rolf Hundack (2126) ein Pflichtsieg an, der sich in einer schwierigen Partie und nach Zeitnotgefecht glücklicherweise auch herausstellte. Runde 6 offerierte wieder eine Schwarzpartie, dieses Mal gegen FM Georg Braun (2360), den ich zwar mit meiner Vorbereitung ein wenig überraschte, jedoch zu einem schönen taktischen Schlag kommen ließ, der die Partie für sich entschied:

Braun-Vöge

(Braun-Vöge, Weiß am Zug)

Die Hoffnung auf ein Comeback mit Weißsieg wurden mit der Doppelrunde an diesem Tag zunichte gemacht, da ich mit Schwarz in einer mir unbekannten Französischvariante zu gierig war. FM Alex Nguyen (2366) sah dann einen schönen Figurengewinn, der Leser ja vielleicht auch?

Nguyen-Vöge

(Nguyen-Vöge, Weiß am Zug)

Das Comeback geschah dann in Runde 8 gegen den Youngstar FM Ruben Gideon Köllner (2376), der seinerseits ein eher schlechtes Turnier spielte und wohl nicht in bester Motivation war. In Zeitnot übersah er eine relativ einfache Drohung, die mir meinen zweiten Sieg einbrachte:

Vöge-Köllner

(Vöge-Köllner, Weiß am Zug)

Am Ende der DEM ging es natürlich noch um ein bisschen Rating und eine schöne Partie, aber eine IM-Norm oder eine gute Platzierung waren nicht mehr möglich. Deshalb war bei mir langsam die Luft raus und ich spielte eine eher unambitionierte Partie gegen FM Eduard Miller (2392). Ich brachte im Mittelspiel ein zweischneidiges Qualitätsopfer und mir gelang es danach nicht, die kritischste Fortsetzung im Endspiel zu finden. Ein Stück weit von Zeitnot beeinflusst verlor ich so und landete bei 3,5 aus 9.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass es aus meiner Sicht kaum lehrreicher hätte laufen können. Bis auf zwei Partien war ich immer leichter bis starker Außenseiter und konnte häufig relativ gut mithalten. Besonders in meinem Schwarzreportoire gab und gibt es noch diverse Lücken, sodass ich bis zum nächsten Jahr einiges aufzuholen habe.

Deutscher Meister wurde zurecht der nicht nur für sein Alter extrem starke GM Luis Engel, der sich gleichsam für das German Masters 2021 qualifizierte. Alle Details finden sich auf der oben angegebenen Turnierwebsite.

Neuen Kommentar hinzufügen